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Wie beantrage ich einen Pflegegrad?
Ein praktischer Leitfaden für Betroffene und Angehörige
Ein Pflegegrad ist die Grundlage für viele finanzielle und organisatorische Leistungen der Pflegeversicherung – sei es Pflegegeld, Sachleistungen oder Unterstützung im Alltag. Doch wie genau funktioniert die Beantragung? Welche Unterlagen sind nötig? Und was tun, wenn der Antrag abgelehnt wird?
In diesem kompakten Leitfaden erfahren Sie, wie Sie Schritt für Schritt erfolgreich einen Pflegegrad beantragen und worauf Sie dabei achten sollten.
Voraussetzungen für den Pflegegrad
Um Leistungen von der Pflegekasse zu erhalten, muss die pflegebedürftige Person in der Regel mindestens zwei Jahre in den letzten zehn Jahren in die soziale oder private Pflegeversicherung eingezahlt haben. Bei Kindern genügt es, wenn ein Elternteil diese Bedingung erfüllt.
Schritt 1: Antrag stellen
Der Antrag auf einen Pflegegrad wird bei der Pflegekasse gestellt – diese ist meist der Krankenkasse angeschlossen. Privatversicherte wenden sich an ihre private Pflegeversicherung.
Tipp: Reichen Sie den Antrag am besten schriftlich per Fax oder E-Mail ein, um ein Eingangsdatum nachweisen zu können. Telefonische Anträge sind rechtlich weniger sicher.
Schritt 2: Formular richtig ausfüllen
Im Antragsformular geben Sie neben den persönlichen Daten auch an, welche Art von Versorgung geplant ist: zu Hause durch Angehörige, mit einem ambulanten Pflegedienst oder stationär. Sie können auch mehrere Optionen kombinieren und den Umfang später ändern.
Wenn Sie beim Ausfüllen unsicher sind, helfen:
- die Pflegekasse,
- örtliche Pflegestützpunkte,
- unabhängige Pflegeberatungsstellen.
Schritt 3: Begutachtung durch den Medizinischen Dienst
Nach Eingang des Antrags beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst (MD) oder – bei Privatversicherten – Medicproof, eine Begutachtung durchzuführen. Dabei werden körperliche, kognitive und psychische Fähigkeiten in sechs Bereichen bewertet:
- Mobilität
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
- Selbstversorgung
- Umgang mit krankheitsbedingten Anforderungen
- Gestaltung des Alltags und sozialer Kontakte
Das Ergebnis wird in Punkten festgehalten und führt zur Einstufung in einen der fünf Pflegegrade.
Die fünf Pflegegrade im Überblick
- Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigung (12,5–27 Punkte)
- Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigung (27–47,5 Punkte)
- Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigung (47,5–70 Punkte)
- Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigung (70–90 Punkte)
- Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigung mit besonderen Anforderungen (90–100 Punkte)
Die Pflegegrad-Berechnung – So funktioniert die Gewichtung
Die Pflegekasse bewertet die Selbstständigkeit in sechs Bereichen (Modulen), die unterschiedlich stark gewichtet werden:
- Modul 1: Mobilität – 10 %
- Modul 2 oder 3:
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten oder
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen – 15 % (nur das Modul mit der höheren Punktzahl zählt)
- Modul 4: Selbstversorgung – 40 %
- Modul 5: Krankheits- und therapiebedingte Anforderungen – 20 %
- Modul 6: Gestaltung des Alltagslebens – 15 %
Die gewichteten Ergebnisse ergeben zusammen den Gesamtwert, der zur Einstufung in einen von fünf Pflegegraden führt:

Vorbereitung auf den Begutachtungstermin
Eine gute Vorbereitung ist entscheidend. Halten Sie folgende Unterlagen bereit:
- aktuelle Arzt- und Entlassungsberichte
- Medikamentenplan
- Schwerbehindertenausweis (falls vorhanden)
- Liste der Hilfsmittel (z. B. Rollator, Hörgerät)
- Notizen zur Pflegesituation
- Pflegedokumentation (falls vorhanden)
Lassen Sie sich beim Termin von einer vertrauten Person begleiten. Angehörige können wichtige Beobachtungen ergänzen, besonders wenn die betroffene Person ihren Zustand zu positiv einschätzt.
Was tun bei Ablehnung?
Wenn Sie mit der Entscheidung der Pflegekasse nicht einverstanden sind, können Sie Widerspruch einlegen – schriftlich, innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheids. Oft wird ein neues Gutachten erstellt.
Sollte auch der Widerspruch erfolglos bleiben, können Sie Klage beim Sozialgericht einreichen. In den meisten Fällen ist das Verfahren kostenfrei.
Welche Leistungen gibt es je nach Pflegegrad?
Je nach Pflegegrad und Betreuungsform (ambulant oder stationär) stehen unterschiedliche Leistungen zur Verfügung:
- Pflegegeld: bei häuslicher Pflege durch Angehörige (z. B. 347 € bei Pflegegrad 2)
- Pflegesachleistungen: z. B. durch ambulante Dienste (bis 2.299 € bei Grad 5)
- Entlastungsbetrag: pauschal 131 € pro Monat
- Zuschüsse für Kurzzeitpflege, Verhinderungspflege oder Tagespflege
- Wohnraumanpassung und Hilfsmittel
Eine Kombination aus Pflegegeld und Sachleistung ist ebenfalls möglich.
Pflegegeld und zusätzliche Leistungen
Pflegegeld wird gezahlt, wenn die Pflege zu Hause eigenständig organisiert wird – etwa durch Angehörige oder eine selbst engagierte Betreuungskraft. Das Geld wird direkt an die pflegebedürftige Person überwiesen:
- Pflegegrad 2: 347 €
- Pflegegrad 3: 599 €
- Pflegegrad 4: 800 €
- Pflegegrad 5: 990 €
Der Empfänger kann frei entscheiden, wie das Geld verwendet wird.
Kombination mit Sachleistungen: Wenn Pflegesachleistungen (z. B. ambulanter Pflegedienst) nur teilweise in Anspruch genommen werden, wird anteilig Pflegegeld ausgezahlt. Beispiel: Bei Pflegegrad 3 und 70 % genutzter Sachleistung (1.047,90 €) werden die restlichen 30 % (179,70 €) als Pflegegeld gezahlt.
Weitere mögliche Leistungen:
- Tages- und Nachtpflege
- Kurzzeitpflege
- Verhinderungspflege
- Entlastungsleistungen
- Wohnraumanpassung
- Pflegehilfsmittel für Zuhause oder Pflegeheim
Pflegeberatung – Ihr Recht auf Unterstützung
Jede versicherte Person hat Anspruch auf eine kostenlose Pflegeberatung durch die Pflegekasse oder neutrale Beratungsstellen. Diese helfen:
- beim Ausfüllen von Formularen
- bei der Wahl geeigneter Leistungen
- beim Erstellen eines individuellen Pflegeplans
Die Beratung kann vor Ort, telefonisch oder digital stattfinden.
Fazit
Der Weg zum Pflegegrad kann komplex sein, aber mit guter Vorbereitung und klarer Struktur ist er zu bewältigen. Lassen Sie sich beraten, bleiben Sie konsequent und nutzen Sie Ihre Rechte. Denn: Pflegebedürftigkeit bedeutet nicht den Verlust von Selbstbestimmung – mit der richtigen Unterstützung kann das Leben weiterhin sicher, würdevoll und stabil verlaufen.
Sie brauchen Unterstützung beim Antrag?
Wenn Sie unsicher sind, wie Sie den Antrag stellen sollen, welche Unterlagen wichtig sind oder wie Sie sich auf die Begutachtung vorbereiten – unser Team von JaSo24 steht Ihnen gerne zur Seite.
Wir begleiten Sie kompetent, einfühlsam und kostenlos durch den gesamten Prozess – von der Antragstellung über die Begutachtung bis zur Kommunikation mit der Pflegekasse.